Diese Frage wurde mir in den letzten 2,5 Jahren unzählige Male gestellt:
„Malte, wann kaufst du dir einen Strandsegler?“
Antwort: jetzt! Das ist er:
Auf Fotos von der EM in Lytham St Annes im Herbst 2023 war er mir erstmals aufgefallen und ich war gleich begeistert! Dort fuhren Gareth Rowland (gelb), Chris Wright (weiss), Heiko (schwarz) und Sven (grün) jenen Wagen (Fotos und Videos hier).
Ich war sofort angetan. Ich musste diese Yacht unbedingt einmal Probesitzen bzw. Probeliegen. Doch zwischen Anfrage und ersten Treffen mit Heiko vergingen Monate über den Winter.
Ich bin über 1,90m groß und damit nicht optimal für viele Strandsegelwagen bzw. deren Sitzschalen. Könnte dieser Wagen endlich etwas für mich sein?
Wie alles los ging bei mir
Am Anfang (2021) sah ich fast nur Miniyachten der Marke Libre, die am Strand Sankt Peter-Ording gefahren wurden. Anfang der 2010er Jahre kam die neue Segelklasse und dieses Model auf. Es gab seit dem ein paar wichtige kleine Änderungen am Rahmen, aber in meinem ersten Jahr als frischer, neuer Pilot war es die am meist vorkommende Segelyacht am Strand. Der Neupreis inkl. drei Segel kommt auf locker 6 TEUR, kein Pappenstiel, also, da hieß es erst einmal sparen.
Der Segelclub YCSPO hatte zum Glück anfangs eine (G200), später zwei Clubwagen (+ G450) zum Ausleihen. Ich war froh so ohne eigenes Gefährt erst einmal meine ersten Erfahrungen zu sammeln. Ich hatte das Glück, dass sogar zu den Regattaterminen ich diese Clubyacht fast immer nutzen konnte, mangels anderer Interessenten. Das war mir eine große Hilfe und Freude. Ich bin sehr dankbar dafür.
Die Miniklasse 5.60 erschien zunächst einheitlich, aber ich hatte Zeit mir in Ruhe das Ganze anzusehen und aus den Erfahrungen der Piloten meine Schlüsse zu ziehen und zu sehen wie sich über die Zeit die Dinge änderten. Wer schnell unterwegs sein wollte investierte zusätzlich in einen flacheren Rennsitz, Aluminiumfelgen, Reifen, Segel, etc. pp. Es wird optimiert was das Zeug hält, und es blieb auch nicht alleine beim Libre Wagen.
Die Entwicklung der Miniklasse
Eine Alternative erschien dann ein Wagen von Plume aus Frankreich zu sein. Den Wagen fand ich reizvoll und interessant vom Konzept. Bei einer Testfahrt war ich von den Fahreigenschaften recht angetan, einzig die zu engen Stangen am Sitz (Höhe der Hüfte) waren ein Problem. Die offenbar schlechte Verfügbarkeit seitens des Herstellers kamen noch hinzu, also auch kein Wagen für mich leider.
Nach der Meisterschaft in Frankreich brachten einige Piloten viele Airtrack Segelwagen mit, die sogleich auf den vorderen Plätzen abonniert waren fortan. Der Wagen besticht durch sein einfaches Konzept, ein tolles Gefährt.
Verschiedene Sitzproben waren aber für mich nicht zufriedenstellend. Mein langer Rücken passt nicht gut in die Sitzschale, die Schot kommt hinten an den Helm, den Kopf daneben ablegen ist schwierig. Ich war so semi zufrieden mit dem Gefährt. Sie sehen an sich alle gleich aus, aber bei einem Wagen (von Jan) passte es ganz gut und ich freundete mich mit dem Gedanken an das es ein solcher Wagen werden könnte, zumal er über den Verkauf nachdachte.
Mittlerweile hatte Stefan angefangen durch Anbau eines Chassis neue Impulse zu setzen in der Szene. Die sonst freien Füße (wie bei einem Fahrrad) konnten gar nicht mehr den Boden berühren, ein ungeheurer Zuwachs des Sicherheitsgefühls.
Dies fand Nachahmer bei den Airtrack Fahrern zu den Stefan mittlerweile auch gewechselt hatte mit einem noch radikaleren Chassis:
Spannend wie die 3 Jahre zuvor einheitlich wirkende Segelklasse sich kontinuierlich so weiterentwickelt hatte. Ich begann also langsam meinen Wagen im Kopf zu konfigurieren, als plötzlich „die Wanne“ auftauchte. Würde ich da reinpassen?
Ich wollte sie nur testen, ob sie etwas für mich wäre. Im Frühjahr zur 4h-SPO-Regatta bot sich die Gelegenheit. Ich durfte einmal kurz Platz nehmen und Probefahren. Der Wagen, die Sitzwanne, war wie angegossen für mich. Ich war Feuer und Flamme und äußerte das auch so.
… und dann kam das Glück zu mir:
Heiko bot mir auf heiteren Himmel seine gerade erst erworbene Yacht zum Kauf an! Sie war ihm zu sperrig für die Garage seines Wohnmobils. Da musste ich nicht allzu lange überlegen 🙂
Rückblickend bin ich sehr dankbar, dass ich Zeit hatte in Ruhe „meinen“ Segelwagen zu finden. All die Details auf die man achten sollte kennen zu lernen. Umso mehr ist man dann zufrieden mit seinem neuen Gefährt. Es war aber auch oft ein wenig frustrierend diese Zeit, eine lange Durststrecke!
„Die Nachricht“ spricht sich herum
Schon „beim Einlaufen“ ins Clubhaus am Freitag Abend zum SPO International Wochenende werde ich auf das Gerücht angesprochen. Da aber noch nicht alles in trockenen Tüchern ist (Wagen noch nicht bezahlt und übergeben) halte ich mich zunächst bedeckt, nicht das der Deal noch platzt auf den letzten Metern!
Im Club hört es nicht auf, sehr viele sprechen mich an und beglückwünschen mich. Zwick mich, es fühlt sich nun wahrhaftig an, wenn Heiko das selbst in Umlauf gebracht hat dann muss es stimmen: ich habe endlich einen Segelwagen 🙂
Es ist überhaupt unglaublich, wie viele sich mit mir mitfreuen und mich beglückwünschen die ganzen drei Tage. Was für tolle Klubkameradinnen und -kameraden habe ich! Vielen, vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an Euch alle! Das war sehr nett von Euch, Ich bin absolut happy! Eine Welle der inneren Freude und Begeisterung trägt mich an jenem Wochenende, unglaublich! Das werde ich nie vergessen.
Die ersten Kilometer
Die Zeiten des Ankommens und einfach rein setzen in den Clubwagen sind vorbei, ab jetzt heißt es selbst aufbauen, früher vor Ort sein. Heiko zeigt mir wie es geht, sowie das Einstellen der Spur, eine kleine Wissenschaft 😉 Er nahm sich viel Zeit, vielen Dank an dieser Stelle! Das war echt toll.
Am Folgetag dann die Feuertaufe. Ohne einen Kilometer Erfahrung in dem Wagen geht es sogleich ins Rennen. Habe ich in Rennen 1 noch mit so einigen Schlingermomenten zu kämpfen, gewöhne ich mich langsam an das ganz andere Fahrgefühl im Vergleich zum Libre Segelwagen (weiter unten führe ich die alle noch auf).
Dann „die Überraschung“. Trotz der anfänglichen Unsicherheiten des Gefährts erwische ich einen guten Start so um Platz 8 herum. Statt aber wie im Clubwagen gewohnt nach und nach nach hinten zurückzufallen, halte ich die Position, habe immer nur diese etwa 6 Fahrer vor mir. Wie übersichtlich das Feld vor mir ist! Das ist echt ungewohnt für mich. So geht es weiter und ich fahre diese Position heim über die Ziellinie! Was war das? Kann das wahr sein? Der Wagen sollte schnell sein, hatte man mir gesagt, aber war das jetzt nur Zufall?
Das Rennen 2 startet, wieder ein guter Start und ich fahre vorne mit. Ich entdecke neue, unbekannte Dinge. Während Böen andere Wagen zum Ausscheren bringen und die Piloten kämpfen lassen auf zwei Rädern, setzt mein Wagen die Böe in Speed um! Davon hatte mir Stefan von seinem Wagen immer berichtet, jetzt erlebte ich es erstmals selbst. So kann ich mich an Wagen vor mir immer weiter ran arbeiten. Irre! Was ist denn hier los?
Auf einmal wird es vorne an der Wendemarke voll, was passiert da? Ach ja, die Spitzengruppe fängt jetzt an zu überrunden, so etwas habe ich ja auch noch nie erlebt. Ich rausche an den letzten Wagen vorbei. Es ist unglaublich und so beende ich auch dieses Rennen unter den Top 10.
Jetzt ist es kein Zufall mehr, es ist der Wagen! Grandios!!! Ich sehe Heiko an seinem Klasse 5 Wagen hinten stehen, die Freude platzt aus mir raus, ich laufe zu ihm, erzähle von den unglaublichen Platzierungen und wir freuen uns gemeinsam! Was ein Moment! Ich kann es kaum fassen, der Wagen passt a) für meine Körpergröße ideal und dann ist er b) auch noch schnell, ein Traum!!!
Dafür lege ich in Rennen 3 meinen ersten Frühstart hin (Mist, aber egal, ein Streicher ist immer) und in Rennen 4 einen Spätstart. Ich gehe also jeweils als vielleicht Nr.20 von 30 ins Rennen. Dann passiert in beiden Rennen etwas, was ich so noch nie erlebt habe. Wagen um Wagen hole ich langsam auf, kämpfe mich Platz für Platz vor und lande tatsächlich dennoch in den Top 10! „Verdammte Hecke, was ist denn heute los?“ denke ich. Ich bin noch nicht einmal richtig vertraut mit dem neuen Segelwagen und schon ist so etwas möglich? Na das kann kann ja noch spannend werden!
Zu den vielen Glückwünschen für den neuen Wagen kommt jetzt noch Platz 8 für das Wochenende hinzu, meine beste Platzierung jemals! Hier die Ergebnisliste
Nach dem ersten Rennen geht es ans umrüsten. Einen Mast hatte ich ja schon vor Monaten gekauft, nun geht es an die Segel.
Die neue Segelnummer
Lange bin ich unter der G200 und G450 der Clubwagen gesegelt, ab jetzt bin ich offiziell mit der eigenen G391 unterwegs und habe das auch gleich international bei der FISLY registriert:
Hello Malte
yes, I’ve received your payment and YCSPO has approved your request. So your FISLYID published on the website: https://fisly.org/pilots/pilots.php?cn=DE&type=M
Noch ist meine Segelgarderobe nicht komplett, aber ich habe schon das erste gebrauchte Segel neu nummeriert. Aus der 599 wurde die 391.
Aber was genau ist nun der Unterschied des Yorkers zum Libre?
Die Vordergabel ist ausgewogener und tendiert zur Mitte statt auszuschlagen wie beim Libre. D.h. ich kann den Wagen anstatt zu ziehen mit einer Leine, ihn auch am Mast haltend einfach schieben. Kleine Kursänderungen kann ich durch leichtes heranziehen oder wegdrücken des Mastes beim Laufen machen. Praktisch.
Es gibt eine Lenkstande. Beim Anschieben kann man mit der Lenkstange also den Wagen lenken. Hier habe ich allerdings Bedenken. Zum einen muss ich mich tief runter beugen, um die Wanne mit beiden Händen zu greifen und anzuschieben. Dabei die Stange zu verstellen geht nicht, aber immerhin kann ich das Rad gerade halten auf diese Weise. Mal sehen wie das sich bei Flaute erweisen wird. Der Libre erscheint mir hier einfacher mit dem geübten Schwung „in den Sitzsessel“.
Die Lenkstange empfand ich teilweise als störend während der Fahrt, da man seinen Arm darüberlegt und somit sich leicht das Lenken leicht erschwert. Ich überlege die bei mittleren und starken Winden nicht zu montieren. Ein Anschieben (mit Lenkstangen Hilfe) dürfte sich dann erübrigen.
Meine Beine sind ausgestreckt. Endlich! Der Clubmini war immer auf kleinere Leute ausgelegt und die Fußrasten in der kürzeren Position montiert. Ausstrecken war unmöglich, ich fuhr immer mit relativ viel Druck auf den Füßen. Nun verspüre ich eine gewisse, geschützte Geborgenheit. Du liegst in einer Wanne! Keine Gefahr, die Füsse könnten auf den Boden kommen oder gar unter die Achsen (auch wenn der Libre Fußschlaufen zum Schutz dafür hat).
Aufstehen und Aussteigen über den hohen Rand der Wanne ist schwieriger als im Libre Mini.
Ich hatte schon das ausgewogene Vorderrad erwähnt. Durch die ausgestreckten Beine, die zudem sicher liegen, kann ich ganz ohne Druck die Steuerpedalen bedienen. So entspannt und ruhig (auch bei Böen) habe ich noch nie gesteuert. Das ist absolut anders im Vergleich zum Fahren des Libres (ein weiteres Sicherheitsplus).
Der Gewichtsdruck auf dem Vorderrad ist viel leichter als beim Libre. Bei kleinen Prielkanten habe ich Weelys gehabt. Unangenehm, wenn man einige Meter nicht steuern kann, das finde ich nicht so gut. Ggf. muss ich bei solchen Stellen im Rennen mal versuche etwas vor zu rutschen in der Wanne.
Auch eine begrenzte Gewichtsverlagerung ist möglich. Ich kann ein Arm über den Wannenrand legen. Zudem ist die Wanne hinten breiter, so dass mein Allerwertester auch ein wenig verlagert werde kann. Das ist im Video oben bei den Wenden ganz gut zu beobachten.
Der Segelwagen ist offenbar schneller als der Libre. Okay, die Club-Miniyacht ist natürlich nicht optimiert, da geht noch einiges beim Mini! Immerhin konnte ich mit diesem „nicht optimierten“ Libre Segelwagen auch schon einmal 75 km/h Spitze erreichen (siehe Video).
Das ich auf Anhieb konstant unter die Top 10 segeln konnte am ersten Wochenende lässt jedenfalls sein Geschwindigkeitspotential erahnen. Er ist schnell, ich hoffe auch bei weniger Wind wo ich eine Gewichtsnachteil im Vergleich zu führenden Fahrern habe.
Anyway, ich kann erstmals vorne mitfahren, wurde sonst im Libre immer nach hinten durchgereicht. Das ist neu für mich.
Ich konnte gar das Feld von hinten aufrollen, als ich im hinteren Feld startete. Also brauche ich es nicht all zu sehr an der Startlinie darauf anzulegen als Erster über die Linie gehen zu wollen für einen guten Platz.
Der neue Wagen hat Böen in Speed statt in Kränkung umgewandelt. Das kannte ich auch nur vom Hören sagen von Stefan. So konnte ich mich an die Vorderwagen ran arbeiten und dann überholen. Bei dem Wind an jenem Wochenende hatten ggf. leichtere Piloten hier einen Nachteil (siehe Finn mit G408 im Video oben), das kann sich aber leicht auch für mich auch negativ drehen unter anderen Bedingungen.
Ich habe Überrundungen gemacht, das war ich auch nicht gewohnt zuvor.
Ein Nachteil möchte ich aber noch nennen. Beim Rangieren mit hochgehobenen Vorderrad kann ich den Wagen sicht so hoch/steil anheben wie den Libre Segler. Der weiche Sitz des Libre steckt Bodenberührungen besser weg als die feste Wanne des Yorker Wagens. Ggf. ist das aber nur bei großen Menschen wie mir ein negativer Punkt.
Alles in allem habe ich die Hoffnung und bin sehr zuversichtlich, dass mein neuer Segelwagen mir viel Freude bereiten wird. Mal sehen wie es sich für mich ausgehen wird unter anderen Segelbedingungen 🙂
Mein Bruder war dabei
Das ohnehin schon großartige Wochenende wurde für mich noch getoppt durch den Besuch meines Bruders. Er war sehr weit angereist und erlebte alles hautnah mit. Ein großes Lob und Dank möchte ich dafür allen Seglern aussprechen. Ihr habt ihn als Besucher ganz herzlich aufgenommen in Eurem Kreis, viele Gespräche geführt mit ihm, ihn sogar Whisky probieren lassen :-), ganz so als wäre er ein Segler von uns. Großartig. Eine ganz, ganz tolle Gastfreundschaft im YCSPO! HERZLICHEN DANK!
Bis demnächst dann am Strand … ich freue mich 🙂
Eine Antwort auf „Mein erster eigener Segelwagen“
Moin Malte, toller Bericht über einen tollen Segelwagen. Ich bin mir im Übrigen sicher, dass die vermeintlichen Nachteile, schnell in den Hintergrund rücken. 🤙